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FORTUNA EHRENFELD | Mastholter See 2020 - Mastholter See - Sommer am See - 18.08.2020
Das ist (Sehnsuchts-)Punk, das raffst du nie
Extreme Situationen erfordern unkonventionelle Maßnahmen, oder um es mit Martin Bechler, Kopf der Band FORTUNA EHRENFELD, zu sagen: „Corona ist eine Charakterfrage. Während die einen noch dabei sind, mögliche Schuldige auszumachen, versuchen andere, kreative Lösungen für ihre Situation zu finden. [...]“.
Immerhin hat die Band es geschafft, eine Möglichkeit zu finden, um in diesem Jahr tatsächlich 30 Konzerte spielen zu können. Die Idee, die dieses in dieser mehr als nur konzertarmen Zeit möglich gemacht hat, nennt sich schlicht „Kopfhörerkonzert“. Statt einen Livestream in die Wohnzimmer der Zuschauer/-hörer zu senden, schafft man eine Wohnzimmeratmosphäre vor einer Bühne. Dies natürlich mit Bestuhlung unter Einhaltung der notwendigen Abstands- und Hygieneregeln, und eben mit Kopfhörern, über die man das Konzert live verfolgen kann.
Die Klänge werden somit nicht, wie sonst üblich, über Boxen ins Auditorium übertragen, sondern ausschließlich über die Kopfhörer. Damit bekommt man das Live-Erlebnis, die Spontaneität, die Emotionen trotz Pandemie-Einschränkungen. Ungewöhnlich, aber es funktioniert unglaublich gut.
FORTUNA EHRENFELD sind auch grundsätzlich eine Band, die sich keinen Konventionen unterwirft. Irgendwie haben Martin Bechler, Jenny Thiele (Keyboard, Gesang) und Jannis Knüpfer (Schlagzeug) ihren gänzlich eigenen und auch sehr eigenwilligen Stil. Hauptsache immer schön verschroben, möglichst weit weg von der Norm. Unangepasste Freaks, die morgens um fünf mit ner Flasche Wein oder einem Espresso (mit viel Körper!) auf ner Düne sitzen, aufs Meer schauen und vor Rührung ein paar Tränchen verdrücken, sich kaputtlachen oder gegen das System wettern, je nach Stimmungslage.
Sie sind die Meister der leisen, reduzierten Töne. Sei es die entrückten Synthie-Sounds, die elektronischen Beats, das Schlagzeug oder auch die Gitarre. Alles wird eher zurückhaltend gespielt, nur selten brechen sie aus dieser Stimmung aus. Vor allem aber der markant heisere, introvertierte Gesang sticht hervor. Und erst diese Texte! Ist das noch Punk? Oder vielleicht Singer/Songwriter*in? Oder sogar Indie? Alles irgendwie ja, doch eigentlich auch wieder nicht. Sehnsuchts-Punk könnte passen, was am Ende aber auch völlig egal ist. „Alle finden’s scheiße, nur wir finden es geil“, scheint da ihre Haltung zu sein.
Martin Bechler, auf der Bühne immer adrett im Nachtpölter, meistens auch kombiniert mit Puschen, lässt es sich zudem nicht nehmen, den Gig zwischendurch zur Auflockerung mit einer Unterhaltungsrunde in Kabarett-Qualität zu unterbrechen. Ob die Dinge, die er dem Publikum teils in epischer Breite mitteilt, alle so stimmen, weiß nur er oder vielleicht noch seine beiden Mitstreiter. Stört aber auch keinen, da es ungemeinen Unterhaltungswert hat.
Am Ende hat diese sympathische Band völlig zurecht sich und ihr dreijähriges Bestehen als Liveband mit noch einigen Zugaben gefeiert, was vom Publikum erwartungsgemäß dankend angenommen wurde.
Abgerundet wurde dieser Abend durch die tolle Organisation der Kulturinitiative Kultur.Güter.Bahnhof Langenberg. Die Location am Mastholter See (in der Nähe von Rietberg) ist extrem lauschig und war genau passend für so einen Auftritt. Im Rahmen dieser Festivalaktion „Sommer am See“ werden übrigens noch weitere Hochkaräter den See besuchen, unter anderem Jenobi wie auch Thees Uhlmann.
Timo Schakau